Gendern und SEO: Funktioniert das?

18. Nov 2021

Gendergerechte Sprache ist in aller Munde. Ob „Gender-Star“, Gender_Gap oder Binnen-I: Das generische Maskulinum steht auf dem Prüfstand. Obwohl die Form der männlichen Bezeichnungen theoretisch beide Geschlechter einbezieht, fühlen sich Studien zufolge nicht wenige Personen unzureichend berücksichtigt, zum Teil auch diskriminiert. Fest steht, dass Sprache einem stetigen Wandel unterliegt und gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegelt. Zugegebenermaßen ist das Thema deshalb auch nicht unumstritten und wird vielfach diskutiert. An dieser Stelle jedoch soll der faktische Aspekt in Bezug auf das Online Marketing im Vordergrund stehen: Was macht denn eigentlich das Gendern mit der Suchmaschinenoptimierung? Büßt man Rankingverluste ein, wenn man auf Webseiten gendert? Inwieweit reagiert Googles Algorithmus auf genderneutrale Ausdrucksweisen? Dieser Blogbeitrag liefert Antworten.

Wann sollte man Gendern?

Aufgrund der Einfachheit, Gewohnheit und Lesbarkeit ist auf den meisten Webseiten im deutschsprachigen Raum das generische Maskulinum Standard. Konkret bedeutet das, dass mit Begrifflichkeiten wie „Schülern“, „Grafikern“, „Managern“ oder „Nutzern“ beide Geschlechter gleichermaßen angesprochen werden. Der Gedanke hinter dem generischen Maskulinum ist „nicht spezifisch, beide Geschlechter umfassend.“ Nichtsdestotrotz zeichnet sich in den letzten Jahren eine Entwicklung in der Gesellschaft ab, bei der zunehmend diese gewohnte männliche Form als alleinige Variante zur Ansprache von Personengruppen angezweifelt wird. Online-Redaktionen, Werbetreibende und Marketingverantwortliche sehen sich infolge dieses Wandels in dem Sprachverständnis und den unterschiedlichen Präferenzen der Zielgruppe immer häufiger mit der Frage konfrontiert, ob sie sich den aktuellen Sprachentwicklungen beugen oder die gewohnte männliche Variante nutzen. Dies ist eine Entscheidung, die je nach Branche, Unternehmen und insbesondere der Zielgruppe variieren kann. Pauschale Empfehlungen oder Richtlinien dazu auszusprechen, wäre vermessen. Viel wichtiger ist es, die Bedürfnisse, die Gewohnheiten und das Verhalten der Zielgruppe zu berücksichtigen. Dreh- und Angelpunkt der eigenen Inhalte und Marketing-Maßnahmen sind stets diejenigen Personen, die den Kundenkreis abbilden.

  • Wie kommunizieren sie?
  • Welche Formulierungen nutzen sie?
  • Welcher Geschlechtsidentität entsprechen sie?

Bei einer umfassenden Analyse der Zielgruppe kann es sich durchaus ergeben, dass je nach Branche und Themen die genderneutrale Sprache eine positivere Außenwirkung erzeugen kann. Hinzu kommt, dass in einigen Bereichen die gendergerechten Formulierungen zum Teil auch verpflichtend sind, beispielsweise bei Stellenanzeigen.

Wie geht Google mit gendergerechter Sprache um? 

Inwieweit ein inklusives Wording in crawlbaren Inhalten einen Nachteil für Suchmaschinen darstellen, ist bisher nur bedingt erforscht, kann jedoch anhand einiger Beispielen erahnt werden. Dazu muss zunächst die Frage beantwortet werden, wie überhaupt die Inhalte hinsichtlich des Gender-Aspektes aufbereitet werden können.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, den eigenen Content genderneutral zu formulieren. Die drei gängigsten Varianten sind das Gendersternchen, der Doppelpunkt und der Unterstrich. Diese Varianten sprechen ausdrücklich alle körperlichen und sozialen Geschlechter an. Dem gegenüber beschreiben die Paarform, das Binnen-I und der Schrägstrich ausschließlich Männer und Frauen. Wie diese konkret im Schriftbild aussehen, ist an folgenden Beispielen zu erkennen:

  • Gendersternchen: Kund*innen, Lehrer*innen, Webdesigner*innen
  • Doppelpunkt: Kund:innen, Lehrer:innen, Webdesigner:innen
  • Unterstrich: Kund_innen, Lehrer_innen, Webdesigner_innen
  • Binnen-I: KundInnen, LehrerInnen, WebdesignerInnen
  • Schrägstrich: Kund/innen, Lehrer/innen, Webdesigner/innen
  • Paarform: Kunden und Kundinnen, Lehrer und Lehrerinnen, Webdesigner und Webdesignerinnen

Doch wie spiegeln sich diese Formulierungen im Ranking wider?

Tatsächlich berücksichtigt Google die genderneutralen Formen bisher kaum in seinem Algorithmus. Die Suchanfragen werden zumeist umgewandelt oder vollkommen ignoriert, wie folgende Bildschirmfotos zeigen:

Gendersternchen:

Suchergebnisanzeige beim Begriff „Texter*in“ (Quelle: Screenshot)

Beim Gendersternchen werden die Berufsbezeichnungen als rein maskuline Form interpretiert und entsprechend dazu auch nur Suchergebnisse im generischen Maskulinum ausgespielt. Zudem wird das Gendersternchen auch gerne als Leerzeichen wahrgenommen, sodass durch Google Suggest folgende Varianten entstehen:


Googles Suchvorschläge beim Begriff „Texter*in“ (Quelle: Screenshot)

Doppelpunkt:

Gleiches gilt für den Doppelpunkt. Auch diesen kann die Suchmaschine scheinbar nicht auswerten, sodass auch hier ausschließlich Ergebnisse, die im generischen Maskulinum formuliert sind, präsentiert werden.

 


Suchergebnisanzeige beim Begriff „Mechatroniker:in“ (Quelle: Screenshot)

Unterstrich:

Anders verhält es sich beim Unterstrich. Hier wird der Unterstrich zumeist nicht berücksichtigt und stattdessen die rein weibliche Form angenommen.


Begriff „Tischler_in“ gegoogelt (Quelle: Screenshot)

Binnen-I:

Dies ist auch beim sogenannten Binnen-I zu beobachten. Da Google nicht zwischen Groß- und Kleinschreibung unterscheidet, interpretiert die Suchmaschine das große Binnen-I als „normales“ I und gibt Ergebnisse aus, die sich hauptsächlich auf die weibliche Form beziehen.


Suchergebnisanzeige beim Begriff „GrafikerIn“ (Quelle: Screenshot)

Schrägstrich:


Googles Suchvorschläge beim Begriff „Bäcker/in“ (Quelle: Screenshot)

Den Schrägstrich in Kombination mit der weiblichen Endung interpretiert Google vorwiegend als Leerzeichen mit Präposition. In den Suchergebnissen jedoch werden sehr viele Ergebnisse angezeigt, die tatsächlich den Schrägstrich berücksichtigen.


Suchergebnisanzeige beim Begriff „Bäcker/in“ (Quelle: Screenshot)

Bei der Betrachtung einiger beispielhafter Berufsbezeichnungen lässt sich erkennen, dass Google Schwierigkeiten bei der Interpretation genderneutraler Schreibvarianten hat und die Ergebnisse nicht immer dem wahren Suchinteresse entsprechen.

Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass, sobald eine genderneutrale Formulierung genutzt wird, die Suchergebnisse sich dahingehend verzerren, dass nicht selten auf den oberen Positionen Snippets zu eben jenem Thema angezeigt werden. Sucht man beispielsweise „Lehrer*innen“, beziehen sich die Suchergebnisse der gesamten ersten Seite ausschließlich auf das Thema Gendern.


Suchergebnisanzeige beim Begriff „Lehrer*innen“ (Quelle: Screenshot)

Google orientiert sich an den Zielgruppen

Aus Sicht des Google Algorithmus stehen stets die Personen im Vordergrund, die die Suchanfrage auslösen. Und ein Großteilneigt dazu, die Suchanfragen nach der männlichen statt der weiblichen Form auszurichten. Da das meiste Suchvolumen bei Berufsgruppen auf die maskuline Form entfällt, reagiert auch Google entsprechend in den Ergebnislisten. Die Kluft zwischen der maskulinen Form und den weiblichen bzw. gendersensiblen Varianten entsteht deshalb aus dem Nutzerverhalten heraus, wie auch ein Blick auf Google Trends verdeutlicht:


Suchverhalten zu den Begriffen „Lehrer“, „Lehrerin“ und „Lehrer*in“ im Vergleich in den letzten 12 Monaten (Quelle: Screenshot)

 

Feminine bzw. genderneutrale Suchbegriffe sind weit unter dem Suchinteresse gegenüber Formulierungen mit dem generischen Maskulinum. Die logische Konsequenz: Webseiten mit Inhalten in der maskulinen Form ranken besser – einfach weil Sie häufiger gesucht werden.


Suchverhalten zu den Begriffen „Texter“, „Texterin“ und „Texter*in“ im Vergleich in den letzten 12 Monaten (Quelle: Screenshot)

Geht gendergerecht UND suchmaschinenfreundlich?

Die Antwort lautet: Jein. Ein gutes Ranking bei genderneutralen Inhalten zu erreichen, ist eine Herausforderung. Jedoch gibt es einige Möglichkeiten, das Problem in SEO-Texten zu umgehen:

  • Genderneutrale Formulierungen, die die Leistung betonen und nicht die Person, z.B. „Webdesign“ statt „Webdesigner*in“ oder „Texterstellung“ statt „Texter*in“
  • Bestimmte Berufsgruppen mit übergreifenden Formulierungen beschreiben, z.B. „Lehrkräfte“ statt „Lehrer*in“, „Zielgruppe“ statt „Kund*innen“
  • Relativsätze: „Personen, die in der Grafik tätig sind“ statt „Grafiker*in“
  • Doppelnennung: „Manager und Managerinnen“

Welche Form auch immer genutzt wird – wichtig ist in jedem Fall auf die Einheitlichkeit zu achten. Egal ob Gendersternchen, männliche und weibliche Form gemeinsam oder Binnen-I: die Schreibweise sollte auf der gesamten Webseite konsistent sein, die Usability möglichst wenig beeinträchtigen und den Präferenzen der Zielgruppe entsprechen.

Fazit: Vor- und Nachteile genderneutraler Sprache in Onlinetexten

Suchmaschinen nehmen sich das Suchverhalten der Mehrheit zum Vorbild. Und der Großteil der Menschen im deutschen Sprachraum googelt nach wie vor nach der männlichen Form, seltener nach der weiblichen und eigentlich nie nach einer geschlechtsneutralen Form. Deshalb kennen auch Suchmaschinen diese Varianten noch nicht und halten dementsprechend noch an exklusiver Sprache fest. Aus rein wirtschaftlichen Aspekten und mit Blick auf die Reichweitengewinnung hat das Gendern in Onlinetexten deshalb eher negative Auswirkungen auf das Ranking.

Inwieweit Content aus moralischen Gründen auf gendersensible Suchanfragen hin optimiert werden sollte, muss individuell geprüft und abgewogen werden. Fest steht, dass mit gendersensibler Sprache explizit alle Personen angesprochen werden. Dies kann bei einigen Zielgruppen Sympathien bedeuten, bei anderen das Gegenteil.

Unabhängig von der Frage, ob in Onlinetexten gegendert werden soll oder nicht, verlieren andere zeitgemäße Möglichkeiten der Suchmaschinenoptimierung jedoch nicht an Bedeutung. Ganzheitlich optimieren heißt, nicht nur Keywords und Suchvolumina zu berücksichtigen. Ebenso wichtig sind die sogenannten Nutzersignale und die Suchintention. SEO-Texte sollten die Zielgruppe ansprechen, nicht nur die Suchmaschinen.

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