Work-Life-Balance (Arbeit und Freizeit in einem ausgewogenen Verhältnis) – bis vor wenigen Jahren beschrieb dieses Schlagwort einen vermeintlichen Idealzustand.
In der modernen Zeit mit einer zunehmenden Digitalisierung und dezentraler Arbeit finden Verschiebungen statt, von der Freizeit und Beruf gleichermaßen betroffen sind. Arbeitswelt und Privatleben verschmelzen immer stärker miteinander und Work-Life-Balance wird mit wachsender Geschwindigkeit durch Work-Life-Blending abgelöst.
Work-Life-Balance: Strikte Trennung von Arbeit und Freizeit
Der englische Begriff Work-Life-Balance beschreibt frei übersetzt, dass sich Berufsleben und Freizeit im Gleichgewicht befinden. Dieses ausgewogene Verhältnis galt bis vor wenigen Jahren als Idealzustand. Gleichzeitig wurde eine scharfe Trennlinie zwischen der Arbeit und Freizeitaktivitäten (häufig das Familienleben) gezogen. Der Arbeit fiel in diesem Kontext die Rolle eines notwendigen Übels zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu. Den Gegenpol bildete das Privatleben, oft mit Ehepartner und Kindern, das durch die Arbeit zwangsweise behindert wurde. Work-Life-Balance basiert im kollektiven Gedächtnis auf einem Schwarz-Weiß-Denkmuster, das mit der Realität wenig zu tun hat.
Tatsächlich liegt dem Begriff eine andere Einstellung zugrunde. Beim Work-Life-Balance geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ob und in welchem Maße dies gelingt, hängt in der Praxis von verschiedenen Faktoren wie den finanziellen Ressourcen, der Flexibilität bei den Arbeitszeiten und den Möglichkeiten der persönlichen Einflussnahme auf die Wahl des Arbeitsortes ab. Es sind demzufolge die Rahmenbedingungen, die darüber entscheiden, ob Berufsleben und Familienleben in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Und diese Grenzen beginnen in der Gegenwart zu verschwimmen.
Grenzen lösen sich auf
Noch die Eltern-Generation kannte den sogenannten 9-to-5-Arbeitstag. Dieser beschreibt die Regelarbeitszeit eines Angestellten, Arbeiters oder Beamten. Morgens um 9 Uhr beginnt der Arbeitstag, um 17 Uhr ist er beendet und das Ganze wiederholt sich von Montag bis Freitag. Das Wochenende bleibt für die Familie reserviert und bedeutet Freizeit: Das Firmenhandy schweigt, der Laptop bleibt zugeklappt und berufliche Themen werden ausgeklammert. Diese Arbeitsweise ist in der Gegenwart nur noch in wenigen Branchen üblich. Die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben lösen sich zunehmend auf. Dass Kunden auch am Wochenende anrufen und Mails im Home-Office am Sonntag beantwortet werden, ist für viele Arbeitnehmer längst Realität. Selbst ein neuer Begriff wurde für diese Arbeitsweise bereits geprägt: Work-Life-Blending.
Work-Life-Blending: Verschmelzung von Arbeit und Privatleben
Die Verschmelzung von Arbeit und Privatleben ist in vielen Branchen keine Ausnahme mehr, sondern zum Regelfall geworden. Dabei handeln die meisten Arbeitnehmer nicht auf Anweisung des Vorgesetzten, sondern freiwillig. Unternehmen profitieren von diesen Veränderungen in der Arbeitswelt, denn Mitarbeiter, die sich die Arbeit selbst einteilen können, haben mehr Spaß im Job und sind in der Regel besser motiviert. Unternehmen, die die neue Arbeitsweise praktizieren, haben auch bessere Karten bei der Rekrutierung von Fachpersonal. Die sogenannten Young Professionals schätzen Flexibilität und die Möglichkeit, die Arbeit an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Die Aussicht auf Vertrauensarbeitszeiten oder eine Tätigkeit im Home-Office ist für die junge Generation von Fachkräften verlockender als ein starres System mit einer 9-to-5-Regelarbeitszeit.
Schattenseiten des Work-Life-Blending
Obwohl beim neuen Arbeitsmodell für Unternehmen und Arbeitnehmer eine Win-Win-Situation zu entstehen scheint, birgt Work-Life-Blending auch Gefahren. Mit einem größeren Gestaltungsspielraum steigen die Erwartungen des Arbeitgebers und der Druck auf die Arbeitnehmer wächst. Nicht zu unterschätzen ist die physische und psychische Belastung aufgrund der permanenten Erreichbarkeit. Die Gefahr, dass sich Mitarbeiter überfordert fühlen, steigt und damit das Risiko, dass sich die vermeintlichen Vorteile des Work-Life-Blending ins Gegenteil umkehren. Auch nehmen viele Arbeitnehmer – ob bewusst oder unbewusst – noch immer eine gedankliche Trennung zwischen Arbeit und Freizeit vor. Das führt in der Praxis oft dazu, dass aus falsch interpretiertem Pflichtgefühl doch kein Behördengang in der eigenständig verlängerten Mittagspause stattfindet und der Friseurbesuch erst kurz vor der Ladenschließung erfolgt.
Ob die Abschaffung der Stempeluhr für Arbeitnehmer und Arbeitgeber positive Auswirkungen hat, wird die Zukunft zeigen. Klar ist, dass der Zug der Veränderungen in der Arbeitswelt Fahrt aufnimmt und alle Beteiligten sich auf die neue Situation einstellen müssen.